Die 12 Kennzeichen des Alterns: Eine Entdeckungsreise in die Molekularbiologie des Alterns

Liebe Leserin, lieber Leser,
lieber Epigenetik-Fan,

 

bist du bereit, noch tiefer in die Geheimnisse des langen Lebens einzutauchen? Nachdem wir zuletzt die Geheimnisse der 100-Jährigen und die faszinierenden Blauen Zonen erforscht haben, lade ich dich heute ein, mit mir die zellulären und molekularen Merkmale zu erkunden, die unser Verständnis vom Altern revolutionieren. Wir werden uns den „Hallmarks of Aging“ widmen, jenen entscheidenden Merkmalen, die uns helfen, die Komplexität des Alterungsprozesses zu entschlüsseln.

 

 

Altern als breit gefächertes Phänomen

Was ist Altern überhaupt? Wir können es zwar sehen, beispielsweise an unseren Falten oder dem Ergrauen unserer Haare, oder nehmen es wahr, wenn unsere Leistungsfähigkeit nachlässt oder wir vergesslicher werden. Diese sichtbaren Zeichen sind jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Tatsächlich ist das Altern ein natürlicher Prozess, der mit komplexen und intraindividuellen biochemischen Veränderungen einhergeht. Sie treten in lebenden Organismen aufgrund der biologischen Alterung auf und führen zu einem schrittweisen Verlust der physiologischen Fitness und zu Funktionsstörungen, die uns anfälliger für Krankheiten und den Tod machen. Während sich also viele mit einer oberflächlichen Betrachtung des Alterns zufriedengeben, sind Wissenschaftler weltweit damit beschäftigt, die zugrundeliegenden Mechanismen zu entschlüsseln, die uns altern lassen.

Das ist äußerst wichtig. Vor allem deshalb, weil unsere moderne medizinische Kultur größtenteils so aufgebaut ist, dass man sich nacheinander um verschiedene Krankheiten kümmert. Im Großen und Ganzen funktioniert das auch. Eines aber nimmt der Ansatz nicht zur Kenntnis: Wenn man das Fortschreiten einer Krankheit verhindert, wird es nicht weniger wahrscheinlich, dass wir an einer anderen sterben. Manchmal kann die Therapie einer Krankheit sogar ein Faktor für die Verschlimmerung einer anderen sein. Ein Beispiel ist die Chemotherapie: Sie heilt vielleicht manche Krebsformen, macht den Organismus aber auch anfälliger für andere Erkrankungen. Die Behandlung einer einzigen Krankheit wirkt sich kaum auf die Lebensdauer aus. Während Rauchen das Krebsrisiko verfünffacht, erhöht die Tatsache, dass man 50 Jahre alt ist, das Krebsrisiko um den Faktor hundert. Im Alter von 70 Jahren ist es der Faktor tausend. Die Krankheitshäufigkeit nimmt vom 20. Lebensjahr an von Jahr zu Jahr exponentiell zu. Das heißt, wollen wir unsere Lebensdauer verlängern und unsere Gesundheitsspanne vergrößern, sollten wir uns mit dem Hauptrisikofaktor befassen, der sich auf unsere Lebensdauer auswirkt: dem Altern! Wie du noch sehen wirst, kann das Altern als die Quelle aller Krankheiten angesehen werden.

Ein umfassender Blick auf die Alterung: Die 12 Kennzeichen des Alterns

Im Jahr 2013 haben López-Otín und Kollegen zum ersten Mal die Studie zu den 9 Kennzeichen des Alterns (Hallmarks of Aging) vorgestellt, die die Forschung zur Biologie des Alterns deutlich vorangetrieben haben. Sie stellen eine Art Zusammenschau zentraler Erkenntnisse der Wissenschaft dar und wurden von führenden Forschern systematisch identifiziert und kategorisiert, um den Alterungsprozess besser charakterisieren und verstehen zu können. Diese Kennzeichen spiegeln die vielfältigen und komplexen Prozesse wider, die zum allmählichen Verlust der physiologischen Integrität führen und so die Grundlage für altersbedingte Erkrankungen bilden. Sie bestimmen den Unterschied zwischen dem chorologischen und dem biologischen Alter.

Seit 2013 hat sich diesbezüglich in der Forschung erneut sehr viel getan. Über 300.000 wissenschaftliche Artikel wurden zu diesem Thema allein in den vergangenen 10 Jahren veröffentlicht. Aufgrund all der neuen Erkenntnisse, wurden die Hallmarks of Aging zudem letztes Jahr, 2023, auf 12 Merkmale erweitert. Jede Verschlechterung dieser Kennzeichen kann zu vorzeitigem Altern führen, während ihre Verbesserung die Gesundheit im Alter fördern und die Lebensspanne verlängern kann.

In diesem Blogartikel werde ich dir einen kleinen Einblick in diese 12 Kennzeichen des Alterns geben und aufzeigen, wie sie miteinander interagieren und das biologische Alter eines Individuums prägen. Warum ich das mache? Weil ich der Auffassung bin, dass es uns leichter fällt, Wege zu finden, das Altern positiv zu beeinflussen und zu verlangsamen, wenn wir besser verstehen, welche komplexen Mechanismen unser Altern steuern. Da die Vorstellung der Merkmale allerdings schon recht umfassend ist, verzichte ich hier bewusst darauf, dir zu jedem einzelnen Kennzeichen auch gleich praktische Ansätze vorzustellen, was du tun kannst, um sie positiv zu beeinflussen, deine Gesundheit zu stärken und deine Lebensdauer zu verlängern. Hier also nun die zwölf Kennenzeichen des Alterns, von denen man sich in der Wissenschaft einig darüber ist, dass sie für unser Altern verantwortlich sind:

 

Abbildung 1: Die 12 Merkmale des Alterns: genomische Instabilität, Telomer-Abnutzung, epigenetische Veränderungen, Verlust von Proteostase, deaktivierte Makroautophagie, deregulierte Nährstoffwahrnehmung, mitochondriale Dysfunktion, Zellalterung, Erschöpfung der Stammzellen, veränderte interzelluläre Kommunikation, chronische Entzündung und Dysbiose; gruppiert in drei Kategorien: primär, antagonistisch und integrativ (vgl. López-Otín et al., 2023).

Bevor ich dir nun die 12 Kennzeichen des Alterns im Detail erörtere, lass uns zuvor noch gemeinsam einen Blick auf die eben genannte Abbildung 1 werfen. Hier sind die Merkmale nicht nur visuell hervorgehoben, sondern auch in drei Gruppen kategorisiert: primäre, antagonistische und integrative Merkmale. Die primären Merkmale sind die grundlegenden biologischen Veränderungen, die den Alterungsprozess einleiten. Sie entstehen direkt durch die Akkumulation molekularer Schäden und beeinflussen dadurch die Funktion unserer Zellen. Antagonistische Merkmale sind Reaktionen des Körpers auf diese primären Veränderungen, die zunächst altersbedingte Schäden kompensieren, aber letztlich, wenn sie übermäßig aktiviert werden, den Prozess des Alterns vorantreiben. Die integrativen Merkmale resultieren aus der Interaktion der primären und antagonistischen Merkmale und spiegeln den körperlichen und funktionellen Zustand eines gealterten Organismus wider. Diese kategorische Einteilung hilft uns zu verstehen, wie die verschiedenen Prozesse zusammenwirken und in welche Richtungen therapeutische Strategien entwickelt werden können, um den Alterungsprozess zu beeinflussen.

Jedes dieser 12 Kennzeichen des Alterns muss zwingend drei fundamentale Prämissen erfüllen: Erstens müssen sie eine altersbedingte Manifestation zeigen, was bedeutet, dass sie im Laufe des Lebens eines Organismus typischerweise zunehmen. Zweitens muss die Möglichkeit bestehen, den Alterungsprozess zu beschleunigen, wenn diese Merkmale experimentell hervorgehoben werden. Die dritte und wohl entscheidende Prämisse ist, dass es möglich sein muss, den Alterungsprozess zu verlangsamen, zu stoppen oder gar umzukehren, indem therapeutische Interventionen an diesen Merkmalen ansetzen. Diese Prämissen sind nicht nur entscheidend für die wissenschaftliche Anerkennung eines Merkmals als Alterungskennzeichen, sondern auch für die Entwicklung von Interventionen, die in Zukunft unser Leben gesünder und länger machen könnten.

Nun aber zu den einzelnen Kennzeichen des Alterns:

1. Genomische Instabilität – DNS-Schäden

Unser genetisches Material, die DNS, wird ständig durch äußere und innere Faktoren geschädigt. Zu diesen schädlichen Faktoren gehören die UV-Strahlung des Sonnenlichts oder reaktive Sauerstoffspezies, die in unseren Mitochondrien entstehen. Man schätzt, dass unsere DNS täglich bis zu einer Million Mal beschädigt wird. Die meisten dieser Schäden werden sofort repariert, da die Zellen über effiziente Erkennungs- und Reparaturmechanismen verfügen. Diese Reparaturprozesse sind jedoch nicht perfekt, und ein kleiner Prozentsatz der Schäden bleibt unrepariert. Daher häufen sich im Laufe des Alterns die DNS-Schäden an, die verschiedene negative Auswirkungen haben können. DNS-Mutationen erhöhen das Risiko des Tumorwachstums, so dass unser Krebsrisiko mit dem Alter zunimmt. DNS-Schäden können aber auch zu einer verminderten Zellfunktion führen oder die Zellen sogar in die Seneszenz treiben, was zu einer verminderten Organfunktion im Alter beiträgt.

2. Verschleiß der Telomere – Verlust des DNS-Schutzes

Telomere sind die Schutzkappen an den Enden der Chromosomen des menschlichen Erbguts. Sie sind vergleichbar mit den verschlossenen Enden eines Schnürsenkels und halten unsere Chromosomen intakt. Bei jeder Zellteilung geht ein Stück der Telomere verloren, so dass sich die Chromosomenenden kürzer werden, je mehr Zellen sich teilen und je älter wir werden. Ist eine bestimmte Länge erreicht, gehen die Zellen in eine Ruhephase über und teilen sich nicht mehr. Diese Zellen können dann absterben oder sogar Entzündungen verursachen, die den Alterungsprozess beschleunigen und Krankheiten auslösen. Ein spezielles Enzym, die Telomerase verhindert die Verkürzung der Telomere und kann ihre Länge sogar wiederherstellen. Mit Ausnahme der Keimbahn exprimieren die meisten Zellen unseres Körpers jedoch keine Telomerase. Dies dient als Vorsichtsmaßnahme gegen die Entwicklung von Krebszellen, die sich durch eine hohe Aktivität von Telomerase auszeichnen, die ihnen hilft unsterblich zu werden.

3. Epigenetische Veränderungen – beeinträchtigte Genexpression

Als Epigenetik-Coach liegt es mir natürlich am Herzen, die Rolle der Epigenetik hervorzuheben. In diesem Blogartikel aber nicht nur, weil es mein Spezialgebiet ist, sondern auch, weil es ein Bereich ist, der von führenden Altersforschern als der Dreh- und Angelpunkt des Alterungsprozesses schlechthin betrachtet wird. Um die Bedeutung dieser Wissenschaft zu verstehen, möchte zunächst noch einmal die grundlegenden molekularbiologischen Aspekte wiederholen, auf die ich in einem älteren Blogartikel schon einmal detaillierter eingegangen bin. Unser genetisches Erbe ist in den Basenpaaren der DNS codiert, die sich über mehr als 3 Milliarden Buchstaben erstreckt. Doch die wahre Magie geschieht auf einer weiteren Ebene: Das Epigenom, eine Sammlung chemischer Anpassungen, die unsere Gene ummanteln und deren Aktivität steuern, reagiert dynamisch auf Ernährung, Medikamente und Stress.

Mit fortschreitendem Alter sammeln sich Veränderungen in diesem empfindlichen System an. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die DNS-Methylierung – das Hinzufügen von Methylgruppen zu unserer DNS, ein Muster, das sich altersspezifisch wandelt. Die Entdeckung der epigenetischen Uhr, welche die DNS-Methylierung von nur 350 Orten nutzt, ermöglicht es uns, das biologische Alter mit erstaunlicher Präzision vorauszusagen. Die Uhr dient als Biomarker, um zu beurteilen, ob und wie Interventionen das menschliche Leben verlängern können. Obwohl die direkte kausale Verbindung zwischen DNS-Methylierung und Alterungsprozess noch nicht vollständig verstanden ist, legen Studien nahe, dass epigenetische Modifikationen eine direkte Rolle im Lebenszyklus spielen könnten.

3.1 Die Informations-Theorie des Alterns: Ein Paradigmenwechsel

Professor David Sinclair, ein international renommierter Genetiker und Alternsforscher von der Harvard University, bringt nun seit einigen Jahren mit seiner „Informationstheorie des Alterns“ eine revolutionäre Perspektive ein. Nach Sinclair ist nämlich die primäre Ursache des Alterns schlechthin der Verlust epigenetischer Information – er bezeichnet diesen Prozess als „epigenetisches Rauschen“. Denn analog zu einer wiederholt abgespielten DVD, die an Qualität verliert, verlieren auch unsere Zellen mit der Zeit die Fähigkeit, genetische Informationen korrekt abzulesen. Diese zunehmende Ungenauigkeit, mit der unsere Zellen die genetischen Informationen über die Zeit interpretieren und umsetzen, sieht er als zentrales Merkmal des Alterungsprozesses an.

Sirtuine, Enzyme, die für die Erhaltung der Zellgesundheit und die Reparatur von DNS-Schäden unentbehrlich sind, spielen laut Sinclair eine Schlüsselrolle in diesem Prozess. Sie benötigen NAD+, dessen Verfügbarkeit mit dem Alter abnimmt. Sinclairs Forschung hat gezeigt, dass eine Erhöhung des NAD+-Spiegels die Aktivität der Sirtuine stärken und den Alterungsprozess hinauszögern kann.

Ein weiterer revolutionärer Aspekt seiner Forschung ist die Anwendung der Yamanaka-Faktoren, welche die Fähigkeit besitzen, die Uhr des Zellalters rückwärts zu drehen. Sinclair und sein Team nutzen die epigenetische Uhr von Steve Horvath, um das biologische Alter zu messen und zu zeigen, dass eine Umkehrung des Alterungsprozesses tatsächlich möglich ist.

3.2 Altern als Herausforderung und Chance

Wie schon eingangs erläutert, behandelt unsere herkömmliche Medizin Krankheiten oft isoliert – eine nach der anderen. Doch diese Strategie ignoriert, dass das Altern selbst der Risikofaktor für viele Krankheiten ist. Chemotherapien beispielsweise können bestimmte Krebsarten heilen, machen den Körper aber anfälliger für andere Krankheiten. Die Behandlung von Einzelkrankheiten hat daher kaum Einfluss auf unsere Lebenserwartung.

Deshalb stellt Sinclair drei bahnbrechende Thesen auf, die unser Verständnis von Alterung und Krankheit grundlegend verändern könnten:

  1. Altern ist eine behandelbare Krankheit, nicht eine unausweichliche Konsequenz des Lebens.
  2. Altern manifestiert sich in verschiedenen Krankheiten, aber im Kern ist es eine einzige Krankheit.
  3. Durch wissenschaftliche Fortschritte ist Altern nicht nur behandelbar, sondern potenziell umkehrbar.

Diese Sichtweise eröffnet neue Möglichkeiten: Wir müssen Alterung nicht mehr als schicksalhaft hinnehmen, sondern können sie aktiv beeinflussen, indem wir die epigenetische Information schützen und reparieren. Eine inspirierende Vision, die uns Hoffnung gibt, dass ein längeres und gesünderes Leben durchaus in unserer Reichweite liegt.

4. Verlust der Proteostase – Anhäufung von Proteinen

Proteine sind die wichtigsten Moleküle in unseren Zellen, sie katalysieren die meisten biochemischen Reaktionen und sind wichtig für die zelluläre Signalübertragung und Stabilität. Damit die Zellen richtig funktionieren können, müssen die Proteine in einem guten Zustand gehalten werden, ein Prozess, der als Proteinhomöostase, kurz Proteostase, bezeichnet wird. Um die Proteostase aufrechtzuerhalten, verfügen Zellen über mehrere Systeme, die die Synthese, die Faltung und den Abbau von Proteinen regulieren. Falsch gefaltete und beschädigte Proteine werden hauptsächlich durch das Proteasom oder über einen Recyclingprozess, die Autophagie, abgebaut.

Der Alterungsprozess ist durch einen Verlust der Proteostase gekennzeichnet, was zu einer Anhäufung von geschädigten und nicht funktionsfähigen Proteinen führt. Falsch gefaltete Proteine können verklumpen und Aggregate bilden, ein charakteristisches Merkmal vieler altersbedingter neurodegenerativer Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson. Wichtig ist, dass ein verbesserter Proteinumsatz durch Aktivierung des Proteasoms oder der Autophagie ausreicht, um die Lebensspanne in Modellorganismen zu verlängern, was die Bedeutung der Proteostase für den Alterungsprozess zeigt.

5. Unausgeglichener Stoffwechsel – gestörte Wahrnehmung von Nährstoffen

Die Auswirkungen dessen, was und wie viel Tiere essen, auf ein gesundes Altern sind gut erforscht. Eine reduzierte Nahrungsaufnahme ohne Unterernährung, die so genannte Ernährungsrestriktion, verlängert die Lebensspanne und verbessert die Gesundheit bei einer Vielzahl von Organismen, von Würmern und Fliegen bis hin zu Mäusen und Rhesusaffen. Auch beim Menschen hat die Ernährungsrestriktion nachweislich positive Auswirkungen auf die Gesundheit. Ursprünglich wurde vermutet, dass die gesundheitlichen Vorteile der Ernährungsrestriktion auf eine verringerte Kalorienaufnahme zurückzuführen sind. Neuere Studien deuten jedoch darauf hin, dass die Reduzierung bestimmter Nahrungsbestandteile, insbesondere von Eiweiß, und die mit der Ernährungsrestriktion-Behandlung verbundenen Fastenzeiten wichtiger sind.

Zellen müssen ihr Wachstum und ihren Stoffwechsel an die Verfügbarkeit von Nährstoffen anpassen. Dazu verfügen sie über so genannte Nährstoffsensorwege, die entweder über Hormone oder über spezifische Nährstoffkomponenten den Nährstoffstatus der Umgebung erfassen und den Zellstoffwechsel entsprechend anpassen. Der Insulin- und der mTOR- Stoffwechselweg bilden zusammen ein zentrales Nährstoffsensornetzwerk in der Zelle, das auch mit den positiven Auswirkungen der Ernährungsrestriktion in Verbindung gebracht wird. Interessanterweise verlängert eine genetische oder pharmakologische Hemmung der Signalwege die Lebensspanne bei einer Vielzahl von Tieren, was sie zu einem guten Ziel für die Entwicklung von Anti-Ageing-Medikamenten macht.

6. Mitochondriale Dysfunktion – wenig Energie

Mitochondrien sind kleine Organellen in der Zelle, die nicht nur “Zellkraftwerke” sind, sondern auch eine zentrale Schaltstelle für Stoffwechselvorgänge in der Zelle darstellen. Sie erzeugen Energie mit Hilfe von Sauerstoff, ein Prozess, der als mitochondriale Atmung bezeichnet wird. Ein wichtiges Merkmal der Mitochondrien ist, dass sie ihre eigene DNS, die so genannte mtDNS, enthalten, die für Proteine kodiert, die für den Atmungsprozess benötigt werden. Eine wichtige Entdeckung, die die Mitochondrien in den Alterungsprozess einbezieht, war, dass Mäuse mit einer hohen Mutationsrate in ihrer mtDNS, so genannte mtDNS-Mutator-Mäuse, eine kurze Lebensdauer haben und Anzeichen einer vorzeitigen Alterung zeigen.

Mitochondrien sind auch die Hauptquelle reaktiver Sauerstoffspezies (ROS), die als Nebenprodukt der mitochondrialen Atmung entstehen. Diese freien Radikale können andere Makromoleküle wie DNS, Lipide und Proteine schädigen und sind daher potenziell schädlich für die Zelle. Lange Zeit galten ROS als Hauptverursacher des Alterungsprozesses, wie es die Theorie der freien Radikale nahelegt. Neuere Studien stellen diese Ansicht jedoch in Frage und legen nahe, dass ROS stattdessen als Signalmoleküle innerhalb der Zelle fungieren könnten. In gewisser Weise könnten erhöhte ROS-Werte sogar von Vorteil sein, da sie zelluläre Abwehr- und Reparaturmechanismen aktivieren. Tiere mit Mutationen in mitochondrialen Komplexen, die für die mitochondriale Atmung wichtig sind, sind oft langlebig.

7. Zelluläre Seneszenz – Zellen verlieren ihre Funktionsfähigkeit

Akuter Stress oder die Anhäufung von Schäden im Laufe der Zeit können dazu führen, dass Zellen in einen Zustand eintreten, der als zelluläre Seneszenz bezeichnet wird. Seneszente Zellen hören auf, sich zu teilen, verlieren ihre ursprüngliche Funktion und beginnen, schädliche Moleküle freizusetzen, darunter entzündliche Zytokine, Wachstumsfaktoren und andere Moleküle. Wichtig ist, dass seneszente Zellen auch die umliegenden Zellen negativ beeinflussen und so zu einer eingeschränkten Organfunktion beitragen.

Es gibt mehrere Auslöser für die zelluläre Seneszenz, darunter die Verkürzung der Telomere, DNS-Schäden oder eine mitochondriale Dysfunktion. Seneszente Zellen häufen sich auch während des normalen Alterungsprozesses an, sowohl beim Menschen als auch bei Mäusen. Ein entscheidender Durchbruch in jüngster Zeit war die Entdeckung, dass die Entfernung seneszenter Zellen aus gealterten Mäusen durch genetische oder pharmakologische Behandlung die Gesundheit dieser Tiere verbessert und ihre Lebensspanne verlängert. Medikamente, die diese Zellen abtöten oder zum Schweigen bringen, werden als Senolytika bezeichnet und werden nun auf ihre mögliche positive Wirkung auf den Alterungsprozess beim Menschen getestet.

8. Erschöpfung der Stammzellen – veränderte Gewebereparatur

Die meisten Zellen in unserem Körper verlieren die Fähigkeit, sich zu teilen, wenn sie ihre endgültige Identität erreicht haben, z. B. als Nerven- oder Hautzelle. Daher sind die meisten Organe auf so genannte Stammzellen angewiesen, um Gewebeschäden zu reparieren oder die Gewebeerneuerung zu fördern. Stammzellen haben die Fähigkeit, sich selbst zu teilen und sich in verschiedene Zelltypen zu differenzieren. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Gesunderhaltung unserer Organe und unseres Körpers. Das Altern wirkt sich in vielerlei Hinsicht negativ auf Stammzellen aus, und es wird vermutet, dass die Stammzellalterung selbst zur Gewebealterung beiträgt, insbesondere bei Geweben, deren Zellen sich häufig erneuern. Stammzellen können während des Alterns verloren gehen, was zu einer Erschöpfung der Stammzellen und einer verminderten Fähigkeit, Organschäden zu reparieren, führt.

Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass Stammzellen mit zunehmendem Alter ihr Differenzierungspotenzial verändern. Das bedeutet, dass sie in alten Organismen ein anderes Spektrum differenzierter Zellen hervorbringen als in jungen. Interessanterweise galt die Alterung von Stammzellen lange Zeit als unumkehrbar, doch neuere Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass es möglich sein könnte, alte Stammzellen zu verjüngen. So konnte gezeigt werden, dass die Injektion von Blutplasma junger Mäuse in alte Mäuse die Stammzellfunktion der alten Tiere verbessert. Die Verjüngung alter Stammzellen könnte daher ein Ansatz sein, um ein gesundes Altern zu ermöglichen.

9. Veränderung in der interzellulären Kommunikation – beeinträchtigte Zellkommunikation

Die Zellen und Organe unseres Körpers altern nicht isoliert, sondern kommunizieren über Hormone, Zytokine und Stoffwechselprodukte miteinander. Dass diese interzelluläre Kommunikation eine wichtige Rolle im Alterungsprozess spielt, wurde in Experimenten gezeigt, bei denen der Blutkreislauf von jungen und alten Mäusen miteinander verbunden wurde, ein Ansatz, der als Parabiose bezeichnet wird. Alte Mäuse wurden durch dieses Verfahren teilweise verjüngt, während junge Mäuse Anzeichen einer vorzeitigen Alterung zeigten, was darauf hindeutet, dass es Faktoren im Blut gibt, die zur Alterung des gesamten Organismus beitragen. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass gezielte lebensverlängernde Eingriffe in einem Gewebe die Alterung in anderen Geweben verzögern und damit die Lebensspanne verlängern können.

10. Beeinträchtigte Autophagie – Zellabbau verlangsamt sich

Die Autophagie ist eine Art Recyclingsystem der menschlichen Zelle. Dabei baut der Körper nicht benötigte und kranke Zellbestandteile ab und recycelt sie an anderer Stelle. Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass die Autophagie für den Alterungsprozess relevant ist. Studien zeigen, dass beim Menschen die Aktivität von Genen, die an der Autophagie beteiligt sind, mit zunehmendem Alter abnimmt. Außerdem beschleunigt die genetische Hemmung der Autophagie den Alterungsprozess in Modellorganismen. Der Grund dafür könnte eine vermehrte Anhäufung von Proteinen und Zellbestandteilen sein, aber auch die Tatsache, dass Krankheitserreger nicht mehr so gut abgebaut werden können. Es gibt zudem zahlreiche Belege dafür, dass die Stimulierung des Autophagie die Lebenserwartung und Lebensdauer in Modellorganismen erhöht was die Bedeutung der Autophagie für den Alterungsprozess unterstreicht.

11. Chronisch niedriggradige Entzündungen – Immunreaktion des Körpers

Das Altern ist durch eine Zunahme von Entzündungen gekennzeichnet, die auch als “Inflammaging” bezeichnet wird. In jungen Jahren ist die Entzündung normalerweise eine direkte Reaktion auf eine Verletzung und wird abgeschaltet, sobald die Verletzung verheilt ist. In gealterten Geweben kommt es jedoch häufig zu chronischen Entzündungen auf niedrigem Niveau, die Gewebeschäden verursachen und an der Entstehung altersbedingter Erkrankungen wie Fettleibigkeit und Typ-2-Diabetes beteiligt sind. Es konnte gezeigt werden, dass die direkte Beeinflussung der Entzündungswege bei Mäusen zu einer Verjüngung des Gewebes führt und das Überleben positiv beeinflusst.

12. Gestörte Darmflora – Das Mikrobiom gerät aus dem Gleichgewicht

Der menschliche Körper wird von einer Vielzahl von Mikroorganismen wie Bakterien, Pilzen, Protisten und Viren besiedelt, die zusammen als Mikrobiom bezeichnet werden. Man schätzt, dass auf jede menschliche Zelle mindestens eine nichtmenschliche Zelle in unserem Körper kommt.

Mikroorganismen leben auf unserer Haut und in unseren Körperflüssigkeiten, aber die meisten von ihnen befinden sich in unserem Verdauungstrakt und werden daher als Darmmikrobiom bezeichnet. Das Darmmikrobiom hat viele wichtige Funktionen für unseren Körper: Mikroorganismen helfen bei der Verdauung von Nahrung, produzieren lebenswichtige Vitamine, prägen unser Immunsystem und helfen bei der Abwehr von Krankheitserregern. Die Zusammensetzung des Darmmikrobioms ist dynamisch und hängt von Umweltfaktoren wie Ernährung oder Stress ab. Zudem verändert sich die Zusammensetzung mit dem Alter.

Während junge, gesunde Menschen ein komplexes Mikrobiom mit vielen verschiedenen Bakterienarten haben, nimmt die Vielfalt mit dem Alter ab, und das Mikrobiom älterer Menschen ist weniger komplex und durch die Anwesenheit von mehr pathogenen Bakterien gekennzeichnet. Interessanterweise finden sich bei sehr alten Menschen, den so genannten Supercentenarians, Mikroben, die normalerweise nur bei jüngeren Menschen vorkommen, was darauf hindeutet, dass sie ein gesünderes Mikrobiom haben. Ob die beobachteten Veränderungen im Darmmikrobiom nur ein Zeichen des Alterns sind oder ob sie ursächlich zum Altern des Menschen beitragen, ist noch eine offene Frage. Jüngste Ergebnisse mit dem Killifisch Nothobranchius furzeri deuten darauf hin, dass das Darmmikrobiom in der Tat eine ursächliche Rolle bei der Alterung spielen könnte. In ihrem Experiment konnten die Forscher zeigen, dass die Übertragung des Darmmikrobioms von jungen auf mittelalte Fische ausreicht, um deren Lebensspanne zu verlängern.

Fazit

In diesem Artikel haben wir die 12 wichtigsten Kennzeichen des Alterns beleuchtet, die als sicher gelten und entscheidend zum Alterungsprozess beitragen. Diese Einblicke in die komplexen Mechanismen, die unser Altern steuern, sind nicht nur faszinierend, sie bieten auch konkrete Ansatzpunkte, wie wir durch präventive und therapeutische Maßnahmen unser Leben verlängern und dessen Qualität verbessern können.

Forschungen haben bereits viel Aufschluss darüber gegeben, wie wir aktiv in diese Prozesse eingreifen können. Diese spannende Reise der Entdeckungen möchte ich mit dir in meinem Epigenetik-Coaching-Programm EpiMind fortsetzen. Dort werden wir nicht nur tiefer in die Materie eintauchen, sondern du bekommst im Zuge des Programms auch Dutzende praktische Tipps und Anleitungen, mit denen du den Alterungsprozess auf wissenschaftlich fundierte Weise verlangsamen kannst – ohne invasive medizinische Eingriffe, sondern durch nachhaltige Lebensstiländerungen.

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Bis dahin beste Grüße und bleib gesund,

Dein
Chris

 
 

Quellen:

Kleine-Gunk, B. (2017). 15 Jahre länger leben: Die 7-Säulen-Anti-Aging-Strategie nach dem Hormesis-Prinzip.Gräfe und Unzer.

López-Otín, C. et al. (2023). Hallmarks of aging: An expanding universe. Cell, 186(2), 243-278.

Sinclair, D. A. & LaPlante, M. D. (2019). Das Ende des Alterns: Die revolutionäre Medizin von morgen (Lifespan). Dumont Buchverlag.